Interview mit Rikvah

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Interview mit Rikvahs Vater Eshla


Hallo, Rikvah. Danke, dass du dich zu diesem Treffen bereiterklärt hast.

Kein Problem.

Vor kurzem haben wir ja deinen Vater, Eshla, interviewt – er ist ja eine ziemlich starke Persönlichkeit.

(lacht) Das kann man wohl sagen!

Wie lebt es sich so als Sohn einer lebenden Legende?

Nun, meine Situation ist schon etwas kurios – Sangrati haben eigentlich keine Väter. Normalerweise herrscht in einer Kayr alles andere als Zucht und Ordnung, so dass keine Mutter so genau weiß, wo eigentlich ihr Kind nun herkommt. Meine Mutter war aber eine Šyukan und lebte jahrelang mit meinem Vater in einer kleinen Wohnung in der Weststadt von Šyuk, also quasi kleinbürgerlich – wie Eshla das so lange ausgehalten hat, weiß ich nicht, er ist ja ein ziemlich unruhiger, agiler Kerl.
Der Vorteil meiner Herkunft ist, dass ich von Anfang an ziemlich ernstgenommen wurde und nicht wie andere Sangrati-Kinder die gesamte Pubertät damit zugebracht habe, mir meinen Platz in der Kayr zu erkämpfen. Den hatte ich – irgendwo neutral in der Mitte, was ziemlich gut ist für einen jungen Sangrati, der sonst ziemlich übel am untersten Ende vor sich hinvegetiert. Statt mir Narben einzufangen, war ich Schauspieler an der Tempelbühne.

Auch eine recht kuriose Karriere für einen Sangrati.

In der Tat, aber meine Mutter war "vom Fach", und so kam ich auch dazu. Eigentlich bin ich erst später in meinem Leben ein richtiger Sangrati geworden, vorher war ich doch sehr Šyukisch geprägt.

Heutzutage aber giltst du als einer der wichtigsten Aktivisten in deinem Volk.

(lacht) Naja, das ist vielleicht übertrieben.

Dein Vater hat sich mehrfach recht abfällig über die Del-Anhänger geäußert und vertritt die These, dass die Sangrati keinen Erlöser brauchen. Du aber hast die Kayr deines Vater verlassen, um dich einer entlaufenen Sklavin aus Ceyon (Anm: Hauptstadt des Danis-Reiches Ittar in Godvyon) anzuschließen, die behauptet, Del zu sein. Wie passt das zusammen?

Zunächst einmal: Minhi hat nie behauptet, Del zu sein. Das behaupten andere über sie. Zum anderen muss ich meinem Vater widersprechen, auch wenn er mir dafür sicher die Ohren langziehen will: Unser Volk braucht einen Retter. Darauf zielt die Religion eines sehr großen Teiles der Sangrati seit Jahrtausenden ab, darauf wird gehofft, dafür wird gebetet. Ob die Prophezeiung nun stimmt oder nicht, ist für mich völlig irrelevant. Ich bin kein religiöser Mensch. Aber ich glaube, dass nur ein starker Anführer, der die Stämme unter seine Kontrolle bringt, ein besseres Leben für mein Volk erreichen kann, und ich habe meinem Vater mehrfach vorgeworfen, dies nicht getan zu haben.

Du glaubst, dein Vater könnte die Rolle des prophezeiten Erretters einnehmen?

Er hätte es ganz sicher tun können. Kein Sangrati hatte je mehr politischen Einfluss als mein Vater, aber er hat ihn einfach verschwinden lassen und sich nicht weiter dafür interessiert. Das Resultat ist, dass nach kurzer Verbesserung unserer Lage in der Spätantike wieder alles schlechter wurde und heute so schlimm ist wie nie.

Was ist schlimmer als früher?

Die Entführungen natürlich. Die Shyukai haben uns immer verachtet, vertrieben und manchmal gejagt, aber heutzutage überfallen sie unsere Siedlungen und verkaufen unsere Kinder nach Ceyon. Wenn Eshla ernsthaft glaubt, dass wir aus dieser Situation ohne einen starken, gemeinsamen Anführer herauskommen, dann hat er schlicht den Überblick verloren.

Und eine Jugendliche aus einem Land voller Flüsse und Wiesen soll die Wüstenstämme führen?

Sie ist wenigstens nicht in die uralten Kayrfehden eingebunden.

Sangrati werden selten älter als 30, somit wäre Del oder Minhi oder wer immer sie auch ist jetzt etwa in der Mitte ihres Lebens. Reichen 15 Jahre aus, um die Situation der Sangrati dauerhaft zu verändern?

Definitiv nicht.

Warum dann die Hoffnung auf ein Mädchen setzen?

Weil die Alten den Hintern nicht hochbekommen. Schaut nur meinen Vater an.

Du hast ebenso wie dein Vater schon ein langes Leben hinter dir, für Sangrati einfach unglaublich lange. Wieso sollte nicht jemand wie du oder Eshla die Sangrati führen?

Ein langes Leben führt zu vielen Feinden, und davon hat Eshla genug – ich wohl auch, wobei ich diplomatischer bin als er und mich weniger in den Mittelpunkt stelle. Aber ich könnte nie auch nur die Hälfte der Stämme hinter mich bringen, schon allein, weil meine Mutter eine Šyukan war. Minhi hat schon mal die Prophezeiung auf seiner Seite – Del kommt aus dem Norden, und nördlicher als Ceyon geht ja kaum noch – und hat außerdem Instinkte und Talente, die man von einer fürs Bett gezüchteten Sklavin nun wirklich nicht erwartet.

Ich dachte, du bist nicht religiös?

Bin ich auch nicht.

Aber du scheinst ja doch fast zu glauben, dass Minhi wirklich Del ist?

Ich glaube nicht, dass Minhi Del sein muss, um der prophezeite Krieger zu sein.

Da komme ich jetzt nicht mit.

Ich gebe meinem Vater in einem Punkt recht – er sagte ja Wenn Hilfe für Sangrati kommen soll, dann von Sangrati. Ein Jeshta kümmert sich nicht um unsere Probleme, das haben wir lange genug gesehen – sie werden durch den Meister des Turms geschützt und leben ohnehin zu versteckt in der Wüste, als dass die Šyukai ihnen gefährlich werden können. So, wie ich die Prophezeiung verstehe, muss der Erlöser nicht der Del der Jeshtw sein, der gegen Dashni kämpfte. Es heißt schlicht Inmitten ihres Leidens wird ein großer Krieger aus dem Norden kommen, nach Drachen benannt, und er wird sie vereinen und versöhnen und ihnen Freundschaft mit dem Haus der Drachen geben. Er wird sie zur Freiheit führen, und sie werden ihre Waffen niederlegen, und die Wüste wird für sie sein wie ein Garten, und ihre Kinder werden ohne Durst aufwachsen.
Da wird nirgendwo der Del der Jeshtw erwähnt.

"Del" heißt aber nun einmal auf Jeshtsad "Drache".

Auf Sangryats aber heißt es "kshali", und auf Šyukish, was nun auch nicht wenige Sangrati sprechen, ist es "ethnaj". Wir sind keine Jeshtw. Tatsache ist, dass Minhi aus dem Norden kommt und bereits schweren Eindruck auf viele Stämme gemacht hat. Normalerweise gründen Vierzehnjährige keine Kayrs und werden damit auch noch ernstgenommen. Ich glaube nicht, dass Minhi Del ist, aber ich glaube, sie könnte der Krieger aus der Prophezeiung sein.

Hältst du sie für den besten Krieger deines Volkes?

(zögert) Für einen der besten sicherlich.

Hast du gegen sie gekämpft?

Ja.

Wer hat gewonnen?

Wir haben es bei einem Unentschieden gelassen. Kämpfe um Führerschaft enden ansonsten immer mit dem Tod des Unterlegenen, und wir erkannten während des Kampfes, dass wir beide das nicht wollten. Da war Minhi übrigens 13 und erst seit knapp einem Jahr in Šyuk.

Sehr beeindruckend für eine entlaufene Sklavin.

Minhi ist äußerst beeindruckend.

Wie stellst du dir einen Kampf zwischen Minhi und Eshla vor?

Gar nicht. Ich hoffe, dass es nie dazu kommt – ich bekäme arge Loyalitätsprobleme.

Wer würde gewinnen?

Ich weigere mich, darüber zu spekulieren. Die beiden sind sehr verschieden – Eshla prahlt gerne und kämpft entsprechend wuchtig und arrogant. Minhi ist eher vom stillen, verschlossenen Typ, der bei Kämpfen meist so lange einfach nur ausweicht, bis er einen Angriffspunkt findet. Da könnte sie bei Eshla Probleme haben, denn der gibt sich eigentlich nie Blößen und weiß, wie lange er herumspielen kann, bevor ihm die Puste ausgeht.

Nun hast du doch etwas spekuliert.

Keineswegs, ich habe nur ihr Wesen erläutert.

Rikvah Yelh Eshla, danke für dieses aufschlussreiche Gespräch.


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