Berhailk der Hexer

1 - Wie Berhailk als Junge war

Das Leben war hart im Land Ittar, welches damals noch im Westen des großen Rings aus Bergen lag, großteils in den Wäldern dort; und wenn man nicht im Wald wohnte, dann auf dem sandigen Boden der Heide, die nicht gerade viel zu Essen hergab. Im Wald jedoch war das Leben recht gut, denn man konnte Wild jagen und die Bäume roden und dort Getreide anbauen.

In so einem Walddorf wuchs Berhailk auf. Sein Vater war der Häuptling des Dorfes und daher natürlich weit und breit hoch angesehen, und Berhailk war dazu bestimmt, sein Nachfolger zu werden, und so waren seine Eltern stets sehr streng mit ihm, damit aus ihm ein anständiger, guter Mann würde. Das gefiel dem Burschen natürlich nicht, der wie alle Jungen in dem Alter recht wild und ungehorsam war, und so fing er sich nicht selten eine Tracht Prügel ein, auch wenn es ihm ansonsten gut ging und er schöne Kleidung und gutes Essen bekam.

Sein bester Freund war der Sohn des Schmieds in dem kleinen Dorf, der hieß Enval und war ein rechter Halunke: er log, er stahl, er betrog, und für etwas klingende Münze tat er alles für und mit jedem, so sagte man; und in all dem schlug er nach seinem Vater, der ein ebensolcher Gauner war. Aber er war der einzige Schmied im Dorfe, und so duldete man ihn und mied ihn und seinen Sohn.

Nun mag es einen wundern, dass der Häuptlingssohn, so ungezogen er auch manchmal sein mochte, sich mit solchem Pack einließ, aber wie so vieles in Berhailks Leben spielte da der Zufall eine Rolle: bei einem Ritt durch den Wald war Berhailks Pferd gestrauchelt und hatte ihn abgeworfen, und dann war es panisch davongelaufen und hatte den Jungen mit einem verrenkten Bein auf dem feuchten Waldboden zurückgelassen. Berhailk rief einige Zeit um Hilfe, aber er war ein gutes Stück vom Dorf entfernt, und niemand kam vorbei.

Endlich jedoch hörte er das Knarren eines Karrens auf dem Pfad, und hinter einer Biegung tauchte schließlich Enval auf, der Metall auf dem Karren zur Schmiede seines Vaters heimbrachte.

„Dank den Göttern, dass du hier gerade vorbeikommst!“, rief Berhailk ihm entgegen. „Mein Bein ist verletzt – hilf mir doch bitte auf deinen Karren und bring mich nach Hause.“

Enval schaute nur missmutig auf ihn hinab. „Der Karren ist so schon überladen, ich kann ihn ja kaum mehr ziehen. Hilf dir doch selbst.“

„Ich werde dir helfen“, knurrte Berhailk erbost, „sobald nämlich mein Bein wieder gesund ist, dann verpasse ich dir die übelste Abreibung deines Lebens, und dann kannst du mal sehen, wie es ist, andere um Hilfe zu bitten!“

Enval lachte. „Wollen wir ja mal sehen, wer hier wem eine Abreibung verpasst, Muttersöhnchen! Aber gut, ich sage im Dorf Bescheid, dass du Hilfe brauchst, dann wird schon jemand kommen, um dich zu holen.“

„Aber es wird bald dunkel, und du brauchst mit der Ladung noch lange, bis du im Dorf bist!“

„Nun, wenn es denn sein muss, dann lasse ich dir meinen Umhang hier, damit du nicht frierst“, seufzte Enval gelangweilt, „soll mir ja keiner nachsagen, dass ich mich nicht um unseren Häuptlingssohn sorge.“

„Du hinterhältiges Biest, du lädst mich jetzt auf deinen verfluchten Karren und bringst mich nach Hause, oder ich zünde euch das Schmiedehaus an, sobald ich wieder laufen kann!“

Da war Enval zunächst etwas verdutzt, doch dann lachte er und begann, seine Ladung vom Karren zu nehmen und am Rande des Pfades versteckt abzulegen. „Du bist ja gar nicht so ein Langweiler, wie ich immer dachte“, meinte er. „Dann komm mal.“ Damit half er Berhailk auf den Karren und zog ihn nach Hause, und sie kamen gerade ins Dorf, als das Zwielicht immer grauer wurde und Sterne schon am Himmel blinkten.

Enval setzte Berhailk vor der Häuptlingshütte ab, wo ihn sofort seine besorgten Eltern ins Warme brachten, und als er selbst nach Hause kam mit nur der Hälfte seiner Ladung, da setzte es für ihn eine dicke Tracht Prügel und er musste los, den Rest aus dem Wald holen, damit er nicht verrostet. Aber Prügel war Enval gewohnt, und so nahm er es Berhailk nicht übel.


Enval und Berhailk waren fortan dicke Freunde, und eine unheilige Freundschaft war das, denn Enval alleine war ein Gauner und Berhailk alleine war ein Raufbold, aber beide zusammen waren der Schrecken des Dorfes und auch der umliegenden Siedlungen, und beide bezogen oft Schelte und Prügel, und beide störte es nicht. Sie stahlen die Opfergaben für die Götter von den Altären und aßen sie auf; sie beschwindelten Kinder und gelangten so an frisch Gebackenes ihrer Mütter; sie stellten einem fahrenden Spielmann eine Falle und nahmen ihm seine Kupfermünzen ab; ja, und noch so allerlei Übleres als das stellten sie an, teils für ihren Profit, teils aber aus Spass an der Übeltat. So sägten sie den Karren von Envals Vater an, als der loszog, eine Fuhre Metall aus der Stadt zu holen, und als dieser dann mit der schweren Last mitten im Wald war, da brach die Achse und er musste die Fuhre im Wald stehenlassen und Hilfe holen, und als er zurückkam, da war ein Gutteil der Ladung gestohlen. Das Diebesgut verkauften Enval und Berhailk dann zurück an genau den Händler, von dem es Envals Vater gekauft hatte.

Da war das ganze Dorf fast froh, als man von Überfällen der wilden Yandier hörte und alle angehalten wurden, ihre Kinder im Hause zu halten. Berhailk und Enval schmeckte das gar nicht, und oft genug stahlen sie sich nach draußen für allerlei Schabernack, aber der Häuptling hatte genug von seinem Taugenichts von Sohn und verrammelte Fenster und Türen, so dass Berhailk nicht mehr hinauskonnte.

Doch als schließlich die Yandier auch in dieses Dorf kamen, half nichts mehr: sie fielen ein wie ein Feuer im trockenen Hochsommer, sie meuchelten und schändeten und stahlen und brannten, und schließlich warfen sie die Toten in die Vorratsgrube des Dorfes und die Lebenden nahmen sie mit, um sie als Sklaven fronen zu lassen. Aber Berhailk hatte eine schwere Wunde am Kopf erlitten, und so hatten sie ihn für tot gehalten und in die Grube geworfen; dort aber wachte er wieder auf unter all den Leichen, seine Eltern und Geschwister und auch Enval, und fast einen Tag verbrachte er dort, bis die Hirten heimkamen und das Unheil sahen und ihn aus der Grube befreiten.

Und da der Winter vor der Tür stand und kein anderes Dorf die Überlebenden aufnehmen wollte, nahmen die Hirten und Berhailk alles, was sie noch im Dorf finden konnten, und das Vieh, und zogen für den Winter in Richtung der Berge, um dort eine Höhle zu finden, in der sie die Schneemonate verbringen konnten.


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